Mutig loslassen

1024 685 Elke Janßen

Wer hat sie nicht, die Angst vor Veränderungen. Ich ab und zu sicherlich.

Doch diese Geschichte hat mich ganz neu fasziniert. Ich wünsche Euch ganz viel Abenteuerlust, Ermutigung und Erweiterung.

 

Es gab einmal eine Ansiedlung von Geschöpfen am Grunde eines großen kristallklaren Flusses. Die Strömung des Flusses ging ruhig über alle hinweg – einerlei, ob jung oder alt, reich oder arm, gut oder böse: Die Strömung ging ihren eigenen Weg, denn sie kannte nur ihr eigenes kristallklares Selbst. Jedes Geschöpf klammerte sich in der ihm eigenen Weise fest an die Zweige und Steine im Flußbett, denn ihre Art zu leben bedeutete sich festhalten; von Geburt an hatte man ihnen beigebracht, der Strömung zu widerstehen. 

Aber unter Ihnen gab es ein Geschöpf, das eines Tages sagte: „Ich habe es jetzt satt, mich immer festzuhalten! Ich kann es zwar nicht mit meinen Augen sehen, aber ich vertraue trotzdem darauf, daß die Strömung weiß, wohin es geht. Ich werde loslassen, damit mich das Wasser forttragen kann, wohin es will, denn wenn ich mich weiter festhalte, werde ich vor Langeweile sterben.“ Die anderen Geschöpfe lachten und sagten: „Du Narr! Laß nur los, und du wirst sehen, wie die Strömung, die du so sehr verehrst, dich packen und auf die Felsen schmettern wird, und du wirst schneller daran sterben als vor Langeweile!“ Aber das Geschöpf hörte nicht auf sie: Es holte einmal tief Luft und ließ los und wurde sofort herumgewirbelt und von der Strömung gegen die Felsen geschmettert. river-921085_1280

Aber noch rechtzeitig trug die Strömung das Geschöpf, das sich nicht festhalten wollte, weiter, und es wurde nicht länger zerschunden oder verletzt. Und all die Geschöpfe, die sich stromabwärts angesiedelt hatten und die es nicht kannten, riefen: „Seht, ein Wunder! Ein Geschöpf wie wir, und doch fliegt es! Sehet, der Messias ist gekommen, und alle zu erlösen!“ Und der, den die Strömung getragen hatte, sagte: „Ich bin nicht mehr der Messias als ihr auch. Der Fluß tut nichts lieber, als uns zu befreien, wenn wir nur den Mut aufbringen, loszulassen. Unsere wahre Aufgabe ist diese Reise, ist dieses Abenteuer.“

(Die Legende vom Erlöser, von Richard Bach)